Mittwoch, Dezember 17, 2025
DeutschDygmaEingabegeräteHardwareTastaturen

Dygma Defy – Langzeit-Review aus Nutzerperspektive

Ich habe die Defy im Sommer 2023 vorbestellt da sie für mich das interessanteste neue Produkt im Markt der ergonomischen Tastaturen war, ein Modell mit Wireless und Tenting (Kippfunktion) aber ohne Untergrundbeleuchtung. Nach nun fast zwei Jahren täglicher Nutzung möchte ich gerne aus Nutzersicht berichten.

Verarbeitung, Haptik und Langlebigkeit

Die Defy fühlte sich von Anfang an hochwertig an: eine anodisierte Metalloberfläche, ein massives Case und saubere Fertigung ohne Spiel oder Knarzen. Nach fast zwei Jahren sind alle Tasten absolut einwandfrei, keine Wackler oder abgenutzten Legends. Das magnetische Handballenpad lässt sich leicht abnehmen, reinigen und zeigt keinerlei Gebrauchsspuren — praktisch und langlebig. Und dabei bekommt man ein umfangreiches Zubehör (Carry Case, Palm Pads, O-Rings, etc.). Kurz: das Gerät wirkt wie ein Werkzeug, nicht wie ein Wegwerfprodukt.

Warum ich mich für die Defy entschieden habe

Mehrere Gründe waren ausschlaggebend:

  • Dygma war offen und transparent in der Kommunikation zu Produktionsverzögerungen — das wirkte ehrlich und vertrauenswürdig.
  • Der YouTube-Auftritt vermittelte Nähe und nachvollziehbare Einblicke in Entwicklung und Entscheidungen beim Design.
  • Besonders beeindruckt hat mich der Entwicklungsprozess des Thumbclusters: Mitarbeiter zeichneten die Daumen-Range-of-Motion (ROM) auf, um ein Cluster zu entwerfen, bei dem mindestens vier Daumentasten für große wie kleine Hände sicher erreichbar sind. Das ist Forschung statt Bauchgefühl.
  • Reparierbarkeit und Nachhaltigkeit werden offen gezeigt — Anleitungen zum Zerlegen, Reinigen, Wechseln von Switches/Keycaps sind offiziell vorhanden und werden unterstützt. Keine Drohung mit Garantieverlust bei eigenen Eingriffen, wie es leider bei vielen Herstellern üblich ist.
  • Hot-swap-Sockets und der einfache Wechsel von Switches/Keycaps runden die Entscheidungsgründe ab.

Ergonomie: Split, Tilt und Thumbcluster

Die Ergonomie ist für mich das stärkste Argument der Defy. Das große, durchdachte Thumbcluster ist in der Praxis extrem komfortabel und funktional — besser durchdacht als viele Alternativen bei dem die Ergonomie nicht so gelungen scheint. Das Split-Design (zwei frei positionierbare Hälften) kombiniert mit dem verstellbaren Tenting (Neigungs-Feature) ist für mich der mit stärkste Punkt einer ergonomischen Tastatur. Vor allem das Tenting habe ich in seiner Funktion stark unterschätzt. Zugegen das columnar-Layout (in einer Reihe gestaffelte Tasten angepasst an die Fingerlänge) ist angenehm aber nicht essenziell in meinen Augen. Ähnlich zu einem concarven-Layout (Tasten sind and die Fingerkrümmung angepasst), das ich bei einer anderen Tastatur getestet hatte finde ich auch das nicht zwingend notwendig weswegen ich nicht enttäuscht bin das Dygma das feature bei der Defy nicht umgesetzt hat. Am entscheidensten ist die Möglichkeit, Hälften auseinanderzustellen und die Neigung fein zu justieren. Ergebnis: deutlich entspanntere Schultern, aufrechtere Sitzhaltung und weniger Nackenstress.

Umgewöhnung und Lernkurve

Die Art der Umgewöhnung von einer „normalen“ Tastatur war interessant. Zuerst habe ich wie empfohlen die beiden Seiten eng zusammen benutzt und zunächst ohne Neigung gearbeitet doch der angenehme Effekt von zwei getrennten Hälften hatte sofort überzeugt weshalb ich beide Hälften bald schulterbreit auseinander gestellt habe. Zunächst war es schon ein wenig schwierig zu tippen, man muss sich etwas Zeit nehmen. Doch die klassischen Lernprogramme oder Spiele für das 10-Finger-System über 3-4 Tage à 1-2 Stunden helfen ungemein. Schon nach ca. 1 Woche war ich wieder auf dem selben Level meiner Tippgeschwindigkeit von zuvor. (Netter Nebeneffekt beim Üben mit Lernprogrammen, man sieht direkt wie schnell tippt und hat eine tolle objektive Möglichkeit seinen Fortschritt zu testen und sieht ab wann die alte Geschwindigkeit wieder erreicht ist)

Gesundheitliche Effekte

Bild wurde mit KI generiert

Die gesundheitlichen Vorteile waren direkt spürbar, gleich in der ersten Woche verschwanden die Probleme im Handgelenk, das sonst ständig unangenehm abgeknickt ist bei herkömmlichen Tastaturen, vor allem wenn man weiter auseinander liegende Schultern hat. Doch auch der Nacken und der Rücken wurden entspannter durch die aufrechtere Position und als ich nach einigen Wochen das Neigungsfeature stückweise erhöht habe, bis es für mich ausreichend und dennoch angenehm war, hatte ich auch keine kalten Hände mehr bei längerem Tippen. Das bewirkt wohl die bessere Durchblutung da Elle und Speiche nicht mehr die Zirkulation in den Händen beeinträchtigen wenn sie wie beim Tippen am Laptop über lange Zeit rotiert sind und so einige Gefäße einengen.

Alltagstauglichkeit, Konnektivität und Zuverlässigkeit

Im Alltag lief die Defy eigentlich ohne Probleme — per Kabel, RF oder Bluetooth. Nur einmal hatte ich Bluetooth-Pairingprobleme (ich kam nicht in den Pairing-Modus). Das Problem ließ sich durch Neuspeichern der Tastatur-Konfiguration in Bazecore jedoch einfach beheben. Doch egal ob Tablet, Mac oder PC, Linux oder Windows die
Tastatur läuft einwandfrei. Jede Taste verhält sich genau wie voreingestellt und das auf jedem System.

Software: Bazecore & Neuron

Die Software zur Konfiguration Bazecore ist Free and Open Source Software (GPL 3.0) – ein großes Plus. Die App läuft auf allen gängigen Betriebssystemen, MacOS, Windows und Linux via AppImages. Sie ist funktional, intuitiv und erlaubt:

  • Per-Key-Remapping,
  • bis zu 10 Layers,
  • Macros, Hold/Tap-Options
  • Farb- und Beleuchtungssteuerung
  • Export/Import von Profilen

Das Neuron-Board speichert Einstellungen lokal, sodass kein Profil oder eine Software auf jedem Gerät einzeln installiert werden muss — extrem praktisch beim Wechsel zwischen mehreren Systemen (Linux, macOS, Windows oder Laptop, PC und Tablet).

Probleme und Support

Wenn ich Probleme mit der Defy hatte dann waren sie ausschließlich softwareseitig (Bazecore, Firmware). Probleme hört sich zunächst immer hart an doch das waren nie gravierende Probleme und noch dazu heißt softwareseitig auch immer dass das nachträglich und kontinuierlich alles verbessert werden kann. Dabei hilft das Open Source Modell bei dem alle mithelfen könne wie hier auf Github https://github.com/Dygmalab/Bazecor. Während der ganzen Zeit in der ich die Tastatur nutze war sie stets funktionsfähig und hat physisch wie gesagt keinerlei Probleme gemacht. Lediglich kosmetisch sind die Gummis an manchen Tilt-Ständern die etwas vergilben. Innerhalb von Bazecore konnte ich mal meine gesicherten Layer nicht manuell wiederherstellen (ich vermute dass durch updates das format nicht mehr abwärts-kompatibel war) doch die automatisierte Wiederherstellung funktionierte tadellos. Einmal konnte ich meine Firmware nicht auf die neuere Version aktualisieren, erst mit einer neuen Bazecore Version hat das funktioniert aber auch auf der „alten“ Firmware konnte ich weiterhin alle Funktionalitäten nutzen. Und hierbei muss ich erneut erwähnen ich habe mir die Tastatur als Vorbesteller gekauft, d.h. viele kleinere „Kinderkrankheiten“ sind nun schon ausgemerzt und in meinen Augen ist es ein stabiles System das für mich bisher immer funktioniert hat. Doch das Beste ist der Support. Die Support und Q&A Seiten von Dygma sind stets hilfreich, detailliert aber einfach zu verstehen. Alle Schwierigkeiten konnte ich damit bisher lösen und wie andere Teile der Redaktion schon erfahren haben sind sie auch gut per Mail zu erreichen und haben schnell und freundlich geantwortet und konnten weiterhelfen.

(Hier noch einmal der Hinweise: Dygma entwickelt ständig weiter vor allem die Firmware und Bazecore und dafür brauchen sie unbedingt Feedback. Also falls mal etwas nicht funktioniert wie es soll, teilt es ihnen mit, sie sind darüber sehr froh und
kümmern sich auch wirklich darum).

Vergleich & Zielgruppe

Ist die Defy für jeden geeignet? Wahrscheinlich nicht, doch ich bin der festen Überzeugung dass genau dafür sich die Dygma Raise eignet und diese würde ich jedem empfehlen der eine ergonomische Tastatur sucht und nicht zu viel Zeit ins Konfigurieren und Lernen stecken möchte. Sie vereint die in meinen Augen zwei wichtigsten Features die ich bei jeder Tastatur für nötig erachte: Split und Tilt. Eine klassische Tastatur die man in 2 Hälften teilen kann und beide in einer gewissen Neigung einstellen kann sind wie ich meine die Essenzen einer jeden ergonomischen Tastatur die nachhaltig die Gesundheit am Arbeitsplatz beeinflussen. RGB Beleuchtung ist schön anzusehen und ja das concarve-Layout bietet noch einiges an Ergonomie mehr genauso wie das columnar-layout, aber das ist für die meisten normalen Nutzer zu ein Aufwand um sich davon umzugewöhnen den sie nicht leisten wollen und auch nicht müssen. Die Daumentasten der Raise sind auch ein nettes Feature aber auch für die meisten wohl ausreichend.

Somit halte ich die Raise für das ideale Minimum an Ergonomie für tippen am PC und wer wirklich viel Zeit vor einem PC verbringt und gerne noch etwas mehr möchte für den ist die Defy.

Persönliches Fazit

„Investiere in deine Hände — sie tippen dein Leben.“ — für mich hat sich diese Investition gelohnt.

Bin ich zufrieden? Ja es ist ein wirklich stolzer Preis daran führt nichts vorbei, doch auch die anderen Hersteller ergonomischer Tastaturen sind im gehobenen Preissegment und die klassischen Tastaturen steigen zuletzt auch in ihrem Preis. Doch für mich war es die beste Entscheidung, für eine ergonomische Tastatur und auch für dieses Modell. Und ich scheine damit nicht alleine zu sein auch Forbes führt die Defy schon 2023 zum Gear of the Year

Für Vieltipper, Entwickler, CAD- oder Videoschnitt-Profis, die Ergonomie und Anpassbarkeit schätzen, und wer ein großes Thumbcluster und Reparierbarkeit will, greift zur Defy.

DataHolic