Dienstag, September 2, 2025
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Unboxing & Test: reMarkable Paper Pro – Farbe für die Gedankenwelt

Prolog: Wenn ein Paket Erwartungen weckt

Das Paket war größer, als ich es von einem „Papier-Tablet“ erwartet hatte. Schwer, gediegen, ohne die glitzernde Tech-Schreierei, die andere Hersteller gerne außen aufs Kartonkleid kleben. Beim Aufziehen der Lasche: leises Papierknistern – und dann liegt sie da, die reMarkable Paper Pro. Ein bisschen wie ein Skizzenbuch aus Metall, das in einer Agentur immer auf dem „Chef-Schreibtisch“ liegt. Der erste Eindruck ist elegante Zurückhaltung, fast schon Understatement – und genau das weckt Erwartungen.

Lieferumfang & erster Eindruck

Die Fotos zeigen: die großformatige Box des Tablets, daneben die separate Packung Marker Plus. Innen wartet eine schwarzmatte Einlage, die an hochwertige Fotobücher erinnert. In kleinen Schuberchen finden sich Marker Plus, sechs Ersatzspitzen, ein USB-C-Kabel und die dünne Heftmappe mit Schnellstart. Die Präsentation wirkt reduziert, aber edel – so, als wolle reMarkable schon beim Auspacken klarstellen: Hier steht nicht bunte Ablenkung im Mittelpunkt, sondern die Arbeit mit Papier in digitaler Form.

Design & Verarbeitung: Aluminium und feine Kanten

Die Paper Pro besteht aus einem Aluminium-Unibody. Mit 274,1 × 196,6 × 5,1 mm ist sie nicht nur groß, sondern auch sehr flach. Das Gewicht liegt bei rund 525 g und erinnert an ein leichtes Metallklemmbrett – stabil, aber nicht wuchtig. Die Ränder sind sauber gefast, an einer Seite sitzt der USB-C-Anschluss, an einer anderen die längliche Power-Taste. Auf der Rückseite sind eingelassene Magnetpunkte und eine Zubehörleiste zu erkennen – das ist die Andockstelle für Cover und Tastatur.

Der Star der Show ist das 11,8-Zoll-Display im 4:3-Format. reMarkable nennt es Canvas Color – technisch basiert es auf E Ink Gallery 3. Die Auflösung beträgt 2160 × 1620 Pixel bei 229 ppi. Hinzu kommt ein anpassbares Frontlicht sowie die bekannte Palm-Rejection, die beim Auflegen der Hand Stift und Papier-Gefühl nicht stört. Erstmals kann ein reMarkable-Display bis zu 20.000 Farben darstellen. Farben sind naturgemäß gedeckt – es bleibt E-Ink – aber für das Markieren von Textstellen oder das Skizzieren von Konzepten bedeutet das eine enorme Erweiterung.

Die Glasoberfläche ist texturiert, wodurch Stift und Display mit einer feinen, papierenen Reibung aufeinandertreffen. Der Pen-to-Ink-Abstand liegt bei 920 µm, die Schreiblatenz bei 12 ms. In der Praxis bedeutet das: Linien entstehen ohne merkbare Verzögerung, ein fast „echtes“ Schreibgefühl.

Marker Plus: Kabellos, präzise, radierbar

Neu konstruiert wurden auch die Stifte. Marker und Marker Plus (mit Radierer) laden kabellos, wenn sie an der Seite des Tablets andocken. Ein kurzer Ladevorgang reicht weit: Fünf Minuten am Gerät ergeben rund eine Stunde Nutzung. Beim Andocken erscheint kurz ein Batterie-Indikator. Der Marker Plus bietet Druckstufen und Neigungserkennung, die Oberfläche ist fein texturiert, der Radierer am Stiftende löscht präzise.

Im Lieferumfang liegen sechs Ersatzspitzen. Das Wechseln gelingt schnell. Drittanbieter-Spitzen werden offiziell nicht unterstützt – reMarkable setzt bewusst auf das abgestimmte Zusammenspiel von Glasoberfläche und eigenen Spitzen.

Softwareseitig stehen neun Stiftfarben zur Auswahl. Für Skizzierer wichtig: Lineal- und Form-Hilfen sowie verschiedene Werkzeuge (Kugelschreiber, Fineliner, Bleistift, Marker, Highlighter). Das reicht für alltägliche Notizen und auch für komplexere Skizzen.

Technik unterm Papier: CPU, Speicher, Konnektivität

Im Inneren arbeitet ein 1,8 GHz Quad-Core Cortex-A53, flankiert von 2 GB LPDDR4-RAM und 64 GB Speicher. Das ist keine High-End-Hardware – muss es auch nicht sein. Das System ist auf Notizen, PDFs, Zeichnungen und das eigene Betriebssystem optimiert. WLAN 2,4/5 GHz und USB-C (USB 2.0) übernehmen die Konnektivität.

Die Batterie fasst 5.030 mAh. Offiziell nennt reMarkable bis zu zwei Wochen Nutzung und 90 Tage Standby. Geladen wird von 0–90 % in etwa 90 Minuten. Im Alltag hängt die Laufzeit von Frontlicht, WLAN und Marker-Nutzung ab, aber eine Arbeitswoche ist problemlos machbar.

reMarkable OS & Connect

Das Betriebssystem bleibt der Linie treu: Minimalistisch, fokussiert, ohne App-Zoo. Das bedeutet: keine Drittanbieter-Apps, sondern Notizbücher, Templates, Handschrift-zu-Text, PDF-Annotation, Bildschirmfreigabe am Rechner. Wer Ablenkung sucht, ist hier falsch – wer Konzentration will, goldrichtig.

Für die enge Verzahnung mit Laptop und Smartphone gibt es Connect: unbegrenzter Cloud-Speicher, Bearbeitung in den Desktop- und Mobile-Apps sowie ein optionaler Schutzplan. Ohne Connect lassen sich Dateien weiterhin per App, USB oder E-Mail übertragen, allerdings entfällt die komfortable Bearbeitung auf anderen Geräten.

Unboxing-Praxis: Auspacken, Einrichten, Loslegen

Die Einrichtung gelingt schnell: WLAN verbinden, Konto koppeln, Einmal-Code eingeben, optional Passcode setzen – fertig. Eine kurze Einführung erklärt die wichtigsten Wischgesten und zeigt, wie Spitzen gewechselt werden. Schon beim ersten Strich merkt man: Das Zusammenspiel von Glas und Spitze liefert ein „sauberes Kratzen“, das Schreibgefühl mit einem Hauch Nostalgie an Bleistift-Papier erinnert.

Alltag mit der Paper Pro

Notieren: Im Meeting wechsle ich zwischen Kugelschreiber (Notizen) und Textmarker (Markierungen). Der Werkzeugwechsel funktioniert flüssig, die 12 ms Latenz sorgen für unmittelbare Rückmeldung. Farben helfen, Struktur in Texte zu bringen – Überschriften in Blau, Todos in Rot, Markierungen in Gelb.

Skizzieren: Druckstufen und Neigungserkennung sind sauber abgestimmt. Schraffuren wirken realistisch, Linien fließen. Architekt:innen, Designer:innen und alle, die gern visuell denken, werden sich hier zuhause fühlen.

Lesen: PDFs sind eine Stärke. Das Frontlicht bringt gleichmäßige Helligkeit ohne störende Reflexe. EPUB-Dateien lassen sich ebenfalls lesen. Einen integrierten E-Book-Store gibt es nicht – Inhalte kommen per App, Cloud, E-Mail oder USB.

Performance & Ausdauer

Die Hardware ist nicht spektakulär, aber stabil. PDFs mit vielen Seiten blättern zügig, auch große Dokumente sind nutzbar. Beim Zoomen gibt es kurze E-Ink-typische Pausen, aber nichts, was den Workflow unterbricht. Die Akkulaufzeit bewegt sich zwischen 7 und 10 Tagen bei normaler Nutzung, geladen ist das Gerät in rund 90 Minuten.

Sicherheit & Privates

Die Paper Pro bietet Geräte- und Cloud-Verschlüsselung, einen optionalen Passcode und die Möglichkeit, das Gerät über das Konto zu verwalten. Für berufliche Nutzung, bei der Notizen sensibel sind, ist das ein klares Plus.

Zubehör: Type Folio

Das Type Folio verwandelt die Paper Pro in eine Schreibmaschine. Es bietet 1,3 mm Tastenhub, beleuchtete Tasten und magnetische Andockung ohne Kabel. Aufklappen aktiviert das Gerät, Zuklappen sperrt es. Zusammen mit dem Tablet ergibt sich ein Gesamtgewicht von etwas über einem Kilogramm – gut transportabel und sehr fokussiert für längere Texte.

Vergleich: Paper Pro vs. reMarkable 2

Die Paper Pro ist größer (11,8″ vs. 10,3″), farbig statt monochrom, mit Frontlicht, stärkerem Akku und kürzerer Latenz. Sie ist jedoch schwerer und etwas dicker. Wer mit einem reMarkable 2 zufrieden ist, bekommt mit der Paper Pro vor allem dann einen Mehrwert, wenn Farbe, Frontlicht und mehr Fläche benötigt werden.

Kleine Stolpersteine

  • Keine App-Flut: Für Minimalisten ideal, für Nutzer:innen mit hohen Ansprüchen an Integration eher ein Nachteil.
  • Datei-Transfer ohne Cloud: Möglich, aber nicht besonders elegant.
  • Proprietäre Spitzen: Nur reMarkable-Spitzen sind vorgesehen.
  • Preis & Ökosystem: Hochwertig, aber kostspielig. Einstiegspreis ab 629 Dollar.
  • Schwieriges Einfügen von Templates: Eigene Vorlagen können zwar genutzt werden, der Weg dahin ist aber kompliziert und erfordert Umwege über Systemordner. Für Anwender:innen, die ihre Arbeitsumgebung gern individuell gestalten, ist das ein echter Nachteil.

Für wen ist die Paper Pro geeignet?

Besonders interessant ist das Gerät für:

  • Wissensarbeiter:innen, die viel strukturieren, markieren und präsentieren.
  • Studierende und Forschende, die PDFs annotieren und farbig hervorheben möchten.
  • Kreative, die mit Skizzen arbeiten.
  • Leser:innen, die eine kuratierte Bibliothek ohne Ablenkungen schätzen.

Weniger geeignet ist sie für alle, die Entertainment, App-Vielfalt oder All-in-one-Tablets suchen.

Fazit: Farbe, Fläche, Fokus

Die reMarkable Paper Pro ist das, was viele kreative Köpfe seit Jahren wollten: mehr Fläche, Licht und Farbe, ohne die Grundidee zu verraten. Sie fühlt sich an wie ein Notizbuch, das zufällig digital ist. Die neue Marker-Generation mit kabellosem Laden erleichtert den Alltag, das Frontlicht macht Nachtarbeit angenehmer, und die Farben bringen Struktur in das Chaos. Die Hardware ist durchdacht, die Software bleibt konsequent fokussiert.

Natürlich gibt es Konkurrenz – doch kaum ein Gerät wirkt so stimmig und konsequent wie die Paper Pro. Wer ein reines Notiz- und Arbeitsgerät ohne Ablenkung sucht, findet hier eine der elegantesten Lösungen auf dem Markt.

Transparenzhinweis

Hinweis gemäß EU-Vorgaben zur Transparenz:
Die in diesem Testbericht vorgestellte reMarkable Paper Pro wurde von uns selbst gekauft. Es handelt sich dabei nicht um bezahlte Werbung. Alle geäußerten Meinungen basieren ausschließlich auf unseren eigenen Praxiserfahrungen.

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