MSI Center M auf dem MSI Claw 8 AI+
Warum Software bei Windows-Handhelds nicht Begleiterscheinung, sondern die eigentliche Disziplin ist
Vorbemerkung: Wenn das Betriebssystem nicht für das Gerät gedacht war
Windows 11 ist kein Handheld-Betriebssystem. Es war nie dafür gedacht, auf acht Zoll mit Sticks, Triggern und Touch gleichzeitig bedient zu werden. Und doch ist es genau diese Ausgangslage, die moderne Windows-Handhelds wie das MSI Claw 8 AI+ definieren. Die Hardware mag neu sein, die Prozessorarchitektur modern, das Display hell und schnell – aber ohne eine konsequent gedachte Software-Ebene bleibt all das Theorie.
An dieser Stelle setzt MSI Center M an. Nicht als klassisches Hersteller-Tool, nicht als optionales Add-on, sondern als zwingend notwendige Vermittlungsschicht zwischen Windows-Logik und Handheld-Realität. Wer das Claw ohne MSI Center M nutzt, bekommt keinen defekten Rechner – aber eben auch keinen echten Handheld.
Software ist hier kein Bonus. Sie ist das Fundament.
MSI Center M: Kein Tool, sondern ein Betriebssystem im Betriebssystem
MSI Center M versteht sich nicht als Utility im klassischen Sinn. Es ist keine Sammlung einzelner Funktionen, sondern eine durchgängige Benutzeroberfläche, die permanent zwischen Nutzer und Windows geschaltet ist. Technisch bleibt Windows 11 vollständig erhalten, funktional wird es jedoch eingehegt, kanalisiert und in einen für den mobilen Einsatz sinnvollen Rahmen gezwungen.
Dabei verfolgt MSI einen vergleichsweise ehrlichen Ansatz. Windows wird nicht versteckt, nicht kaschiert und nicht ersetzt. Stattdessen wird es gezähmt. Center M übernimmt dabei die Rolle eines Dirigenten: Es entscheidet nicht über den Klang der Instrumente, sorgt aber dafür, dass sie im richtigen Moment einsetzen.
Diese Philosophie zieht sich durch die gesamte Software.
Startoberfläche: Reduktion als bewusste Entscheidung
Die Startoberfläche von MSI Center M ist auf den ersten Blick unspektakulär. Große Kacheln, klare Symbole, wenige Farben. Doch genau darin liegt ihre Stärke. Auf einem Handheld ist jede visuelle Ablenkung eine potenzielle Hürde. MSI verzichtet bewusst auf verspielte Animationen, überladene Hintergründe oder unnötige Effekte.
Stattdessen stehen die relevanten Plattformen direkt im Fokus: Steam, Xbox, Epic Games Store, Ubisoft Connect, Battle.net und der MSI App Player. MSI versucht nicht, ein eigenes Ökosystem aufzubauen oder bestehende Plattformen zu ersetzen. Die Realität des PC-Gamings wird akzeptiert – fragmentiert, vielfältig, teilweise chaotisch.
Center M fungiert hier als Sammelpunkt. Ein zentraler Einstieg, ohne sich inhaltlich einzumischen.
Spielebibliothek: Ordnung ohne algorithmische Bevormundung
Neben den festen Launcher-Kacheln bietet MSI Center M eine eigene Spielebibliothek. Diese ist bewusst schlicht gehalten. Spiele lassen sich manuell hinzufügen, unabhängig davon, woher sie stammen. Emulation, DRM-freie Titel, alte Klassiker oder experimentelle Projekte – alles kann integriert werden.
Auffällig ist, was fehlt: keine automatischen Empfehlungen, keine Bewertungssysteme, keine sozialen Funktionen. MSI verzichtet auf algorithmische Bevormundung und überlässt dem Nutzer die Kontrolle. Die Bibliothek ist kein Entertainment-Hub, sondern ein Werkzeug.
Das mag weniger spektakulär wirken als bei anderen Lösungen, sorgt aber für Stabilität. Nichts ist ärgerlicher als eine Bibliothek, die nach einem Update plötzlich falsch sortiert, Cover vertauscht oder Titel nicht mehr erkennt.
Steuerungsmodi: Die wichtigste Entscheidung im gesamten System
Gamepad-Modus – wenn Windows kurz vergessen werden darf
Der Gamepad-Modus ist der Zustand, in dem das MSI Claw 8 AI+ tatsächlich wie ein Handheld funktioniert. Eingaben erfolgen konsistent über Sticks und Buttons, Fokuswechsel sind nachvollziehbar, Menüs lassen sich ohne Touch bedienen.
Entscheidend ist, dass dieser Modus nicht nur die Oberfläche betrifft, sondern das gesamte Eingabesystem. Anwendungen erhalten saubere Controller-Signale, ohne Maus-Emulation oder doppelte Inputs. Gerade bei Spielen, die empfindlich auf hybride Eingaben reagieren, ist das essenziell.
Viele Windows-Handhelds scheitern genau an dieser Stelle. MSI Center M schafft hier klare Zustände.
Desktop-Modus – notwendige Realität, kontrolliert freigegeben
So sehr man Windows im Handheld-Kontext reduzieren möchte, ganz ohne Desktop geht es nicht. Installer, Launcher, Login-Fenster, Systemeinstellungen – all das existiert weiterhin in der klassischen Windows-Welt.
MSI versucht nicht, diese Realität zu kaschieren. Der Desktop-Modus wird bewusst freigegeben, inklusive Mauszeiger, Scroll-Funktionen und Kontextmenüs. Wichtig ist jedoch der Übergang. Der Wechsel zwischen Gamepad- und Desktop-Modus erfolgt schnell und nachvollziehbar, ohne dass Eingaben hängen bleiben oder der Nutzer die Orientierung verliert.
Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Gerade Windows reagiert empfindlich auf Moduswechsel.
Auto-Switch: Ambitionierte Automatik mit klarer Grenze
Der automatische Wechsel zwischen Gamepad- und Desktop-Modus ist eines der ambitioniertesten Features von MSI Center M. Die Software versucht zu erkennen, in welchem Kontext sich der Nutzer gerade befindet, und passt den Modus entsprechend an.
In der Praxis funktioniert das oft erstaunlich gut, stößt aber zwangsläufig an Grenzen. Windows kennt keine saubere Trennung zwischen Spiel, Launcher, Overlay und Hintergrundfenster. MSI muss interpretieren – und Interpretation ist nie fehlerfrei.
Entscheidend ist daher nicht die Perfektion der Automatik, sondern die Möglichkeit, jederzeit manuell einzugreifen. MSI bietet diesen Notausgang konsequent an.
Live Update: Wartung ohne Windows-Overhead
Updates sind auf Handhelds besonders heikel. Sie kommen oft ungelegen, dauern lange und bergen das Risiko, bestehende Konfigurationen zu verändern. MSI Center M bündelt BIOS-, Firmware-, Treiber- und Software-Updates in einer Oberfläche.
Besonders positiv fällt die Transparenz auf. Versionsnummern, Zeitstempel und der Status der letzten Überprüfung sind jederzeit einsehbar. Das schafft Vertrauen und erlaubt bewusste Entscheidungen. Niemand wird gezwungen, sofort zu aktualisieren.
Gerade bei mobilen Geräten, die nicht ständig am Strom hängen, ist diese Bündelung ein echter Vorteil.
Netzwerkfunktionen: Zweckmäßig statt verspielt
Die WLAN- und Bluetooth-Sektion von MSI Center M ist bewusst funktional gehalten. Netzwerke scannen, verbinden, fertig. Geräte koppeln, fertig. MSI verzichtet auf erweiterte Diagnosen oder komplexe Profile.
Das ist keine Schwäche, sondern eine klare Entscheidung. Center M soll beschleunigen, nicht ersetzen. Alles, was darüber hinausgeht, bleibt Windows überlassen.
KI-Engine: Automatisierung mit klar definiertem Rahmen
Die sogenannte KI-Engine ist eines der meistdiskutierten Elemente des MSI Claw. Wichtig ist, die Erwartungshaltung realistisch einzuordnen. Hier geht es nicht um selbstlernende Systeme im klassischen Sinn, sondern um kontextbasierte Optimierung.
Die KI-Engine beeinflusst Leistungsprofile, Energieverbrauch, thermisches Verhalten und teilweise auch Beleuchtungseinstellungen. Sie arbeitet auf Basis vordefinierter Nutzungsszenarien, nicht auf Basis individueller Spielerprofile.
Entscheidend ist, dass die Automatik jederzeit deaktiviert werden kann – vollständig oder selektiv. MSI zwingt niemanden in ein KI-Korsett. Diese Offenheit ist selten und begrüßenswert.
Mystic Light: RGB als Teil des Systems, nicht als Showelement
RGB-Beleuchtung ist auf einem Handheld ein sensibles Thema. Zu viel lenkt ab, zu wenig verschenkt Potenzial. MSI integriert Mystic Light funktional. Farben und Effekte lassen sich anpassen, bleiben aber dezent.
Besonders positiv fällt die klare Kommunikation möglicher Konflikte auf. Wenn manuelle RGB-Einstellungen mit der KI-Engine kollidieren können, wird das offen angesprochen. Der Nutzer entscheidet, nicht das System.
Das wirkt unspektakulär, ist aber Ausdruck einer sauberen Software-Philosophie.
Geräuschunterdrückung: KI dort, wo sie wirklich Sinn ergibt
Die KI-basierte Geräuschunterdrückung gehört zu den stillen Stärken von MSI Center M. Gerade bei mobilen Geräten ist Hintergrundrauschen unvermeidlich – sei es durch Lüfter, Umgebung oder Raumakustik.
Die Umsetzung ist technisch sauber. Stimmen bleiben natürlich, Störgeräusche werden effektiv reduziert. Die Trennung zwischen Mikrofon- und Lautsprecherfilterung ist klar und sinnvoll umgesetzt.
Hier zeigt sich, dass KI dann am besten funktioniert, wenn sie nicht im Vordergrund steht.
Mediengalerie: Bewusst nüchtern gehalten
Die Mediengalerie verwaltet Screenshots und Bildschirmaufnahmen. Mehr nicht. Keine Cloud, keine Bearbeitung, keine sozialen Funktionen.
Das mag altmodisch wirken, ist aber konsequent. MSI Center M versteht sich als Systemsoftware, nicht als Content-Plattform.
Systeminfo: Transparenz statt Marketing
Die Systeminfo-Sektion ist eines der stärksten Argumente für MSI Center M. BIOS-Versionen, EC-Firmware, Software-Builds, SDK-Stände – alles wird klar, strukturiert und exportierbar dargestellt.
Für Tester, Power-User und Supportfälle ist das unverzichtbar. MSI versteckt nichts und beschönigt nichts.
Batterie-Management: Langfristiges Denken statt Prozentfixierung
Akkumanagement ist mehr als eine Anzeige. MSI Center M bietet Ladebegrenzungen, Kalibrierungsfunktionen und klare Empfehlungen zur Pflege.
Gerade die regelmäßige Kalibrierung zeigt, dass MSI das Claw nicht als Wegwerfgerät betrachtet. Der Fokus liegt auf Langlebigkeit, nicht auf kurzfristigen Marketingwerten.
Service und allgemeine Einstellungen: Unsichtbare Stabilität
Service-Menüs sind selten spannend, aber entscheidend für die Stabilität eines Systems. Logs, Diagnosefunktionen und Startverhalten sind vorhanden, ohne sich aufzudrängen.
MSI Center M ist dann am besten, wenn man es nicht bemerkt. Und genau das gelingt hier erstaunlich oft.
Software als eigentliche Disziplin moderner Handhelds
MSI Center M ist kein Feature für die Verpackung. Es ist die Grundlage, auf der das MSI Claw 8 AI+ überhaupt sinnvoll nutzbar wird. Die Software ist komplex, aber nicht überladen. Sie bietet Automatik, ohne Kontrolle zu entziehen, und Transparenz, ohne zu überfordern.
Windows-Handhelds stehen und fallen mit ihrer Software. MSI hat das verstanden – und mit Center M einen ernstzunehmenden, durchdachten Ansatz geliefert.
Hinweis gemäß EU-Vorgaben zur Transparenz:
Die in diesem Testbericht vorgestellte MSI Claw 8 AI+ (A2VM) wurde uns von MSI als unverbindliche Leihgabe zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei nicht um bezahlte Werbung.
MSI hatte keinerlei Einfluss auf Inhalt, Bewertung oder redaktionelle Unabhängigkeit dieses Artikels. Alle geäußerten Meinungen basieren ausschließlich auf unseren eigenen Praxiserfahrungen.
Wir bedanken uns herzlich bei MSI für die Bereitstellung des Geräts und das entgegengebrachte Vertrauen in dataholic.de.
